Normen & Regularien
Bei der Kalibrierung von Pipetten gibt es eine Vielzahl an Normen, Richtlinien und Regeln zu beachten. Diese dienen zur Sicherstellung der Qualität der Kalibrierung. Mit der ISO 8655 Teil 10 gibt es seit 2024 auch Vorgaben an die Qualifikation der Nutzer:innen von Pipetten.
DIN EN ISO/IEC 17025
Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf‑ und Kalibrierlaboratorien
DIN EN ISO/IEC 17025 ist der weltweit anerkannte Standard, der Laboratorien – ob groß oder klein – befähigt, ihre technische Kompetenz und die Qualität ihrer Prüf‑ und Kalibrierergebnisse nachzuweisen. Für ein Kalibrierlabor, das Pipetten prüft, umfasst die Norm zwei wesentliche Bereiche:
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Managementanforderungen
Hier legt die Norm fest, wie das Qualitätsmanagement‑System organisiert sein muss: etwa Dokumentenlenkung, interne Audits, Korrektur‑ und Vorbeugemaßnahmen, Verantwortlichkeiten und kontinuierliche Verbesserung. Beispielsweise muss das Labor eine Verfahrensanweisung haben, die genau beschreibt, wie Pipettenkalibrierungen durchgeführt und dokumentiert werden – von der Auftragsannahme bis zum Kalibrierschein. -
Technische Anforderungen
Dieser Teil behandelt alles, was direkt mit der Messung zu tun hat: die Rückführbarkeit von Messgrößen auf internationale Standards, Eignung und Wartung der verwendeten Geräte (z. B. Waagen und Umgebungsüberwachung), Validierung von Prüfverfahren (etwa der gravimetrischen Methode nach ISO 8655‑6) und die Qualifikation des Personals. Ein Beispiel: Jede Pipette muss so kalibriert werden, dass die Messunsicherheit lückenlos berechnet und dokumentiert wird, um das Messergebnis „100 µl ± 0,3 µl“ nachvollziehbar zu machen.
Zusammen garantieren diese Anforderungen, dass Pipettenkalibrierungen nicht nur präzise und genau sind, sondern auch jederzeit reproduzierbar, rückverfolgbar und unabhängig geprüft werden können. Nur Labore mit Akkreditierung nach ISO 17025 genießen das Vertrauen von Regulierungsbehörden, medizinischen Einrichtungen und Industriekunden weltweit.
DIN EN ISO 8655 Teil 6
Gravimetrisches Referenzmessverfahren zur Bestimmung des Volumens
Teil 6 der ISO 8655‑Reihe beschreibt das Herzstück jeder Pipettenkalibrierung: das gravimetrische Referenzmessverfahren. Dabei wird das Volumen, das eine Pipette abgibt, indirekt über die Masse des pipettierten Wassers bestimmt.
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Ablauf: Man führt mindestens zehn Einzelmessungen pro Prüfvolumen durch. Das heißt: Mit der Pipette wird eine definierte Menge Wasser in eine tarierte Wiegeschale abgegeben, die Änderung der Masse wird gemessen und – unter Berücksichtigung von Luftdichte, Wassertemperatur und Verdunstungsverlusten – in Volumen umgerechnet.
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Umgebungsbedingungen: Temperatur, Luftdruck und Feuchte im Labor müssen aufgezeichnet und konstant gehalten werden, weil sie direkt das Ergebnis beeinflussen.
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Fehleranalyse: Aus den Einzelmessungen werden systematische Abweichungen (Richtigkeit) und zufällige Schwankungen (Präzision) berechnet. Anschließend wird die Messunsicherheit ermittelt, um anzugeben, in welchem Bereich das wahre Volumen mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt.
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Berichtserstellung: Der Kalibrierschein dokumentiert sämtliche Parameter – vom verwendeten Wasser (nach ISO 3696) über die eingesetzten Messmittel bis zur Anwendung des Z‑Faktors für die Luftdichtekorrektur.
Für Pipetten bietet ISO 8655‑6 damit ein weltweit einheitliches, wissenschaftlich fundiertes Verfahren, das höchste Anforderungen an Präzision, Rückführbarkeit und Transparenz erfüllt.
ISO 8655 Teil 10
Benutzerführung, Qualifikationsanforderungen und Eignung von Hubkolben‑Volumenmessgeräten
Während die Teile 1–9 der ISO 8655 den Fokus auf technische Prüfverfahren legen, richtet sich Teil 10 an die Anwender und Betreiber von Pipetten. Er bietet:
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Benutzerführung: Klare Empfehlungen, wie Pipetten nach Herstellerangaben einzusetzen sind – etwa richtige Eintauchtiefen, Vorwärts‑ und Rückwärtspipettieren sowie Pausenzeiten zwischen den Zügen, um thermische Effekte zu minimieren.
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Kompetenz und Schulung: Festlegung, welche Kenntnisse und Fertigkeiten Bediener haben müssen, um konsistente und fehlerarme Messergebnisse zu erzielen. Vorgeschlagen werden Schulungspläne, regelmäßige Leistungskontrollen und Dokumentation der Qualifikation.
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Eignungsprüfung: Kriterien, wie man Pipetten auswählt oder austauscht, wenn sie für bestimmte Flüssigkeiten oder Volumenbereiche nicht geeignet sind. Dazu zählen Materialkompatibilität, Handhabungskomfort und Ergonomie, um Bedienfehler zu reduzieren.
ISO 8655‑10 gewährleistet so, dass Kalibrierer und Endanwender nicht nur die Pipette technisch verstehen, sondern sie auch sicher und kompetent im Laboralltag einsetzen – für reproduzierbare und valide Messergebnisse.
DKD-R 8-1
Kalibrierung von Kolbenhubpipetten mit Luftpolster
DKD‑R 8‑1 ist eine Richtlinie des Deutschen Kalibrierdienstes, die speziell auf Kolbenhubpipetten abzielt und die ISO 8655‑6 um praktische Details ergänzt:
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Allgemeine Anforderungen: Die Richtlinie definiert neben ISO‑Normvorgaben auch, welche Herstellerangaben (Toleranzen, Sterilisierbarkeit, empfohlene Pipettenspitzen) zu dokumentieren sind. Zudem legt sie fest, wie Pipetten zu kennzeichnen, zu reinigen und vor dem Test auf Raumtemperatur zu akklimatisieren sind.
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Umgebungsbedingungen: Lufttemperatur (20 °C ± 0,5 K), relative Luftfeuchte (45–60 %) und Druck müssen vor, während und nach der Kalibrierung überwacht und protokolliert werden – inklusive deren Schwankungen, die direkt in die Messunsicherheitsberechnung eingehen.
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Kalibrierablauf: 10 Messwerte pro Volumeneinstellung, Verwendung von Wasser nach ISO 3696, Berücksichtigung von Verdunstungsverlusten und Luftdichtekorrektur (Z‑Faktor). Die gravimetrische Methode gemäß ISO 8655‑6 ist vorgeschrieben.
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Unsicherheitsbudget: DKD‑R 8‑1 beschreibt detailliert, welche Beiträge (Temperatur, Feuchte, Waagenauswahl, Verwendungsbeitrag) zu berücksichtigen sind und wie sie in das Gesamtunsicherheitsbudget einfließen.
Diese Richtlinie stellt sicher, dass Pipettenkalibrierungen in Deutschland nicht nur international normgerecht, sondern auch praxisorientiert, einheitlich und höchst transparent erfolgen.
R-17025-K
Anwendung der DIN EN ISO/IEC 17025:2018 für Kalibrierlaboratorien
Mit der Regel R‑17025‑K hat die DAkkS eine Hilfe veröffentlicht, die speziell für kalibrierende Stellen die Umsetzung von ISO 17025:2018 präzisiert:
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Keine inhaltlichen Änderungen: R‑17025‑K wiederholt nicht die Norm selbst, sondern stellt klar, wie die Anforderungen der ISO 17025 in der Akkreditierungspraxis handhabbar werden. So bleibt der normative Rahmen unverändert, aber der Prozess wird transparenter.
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Horizontale Regeln integriert: Vorgaben aus EA‑2/15 M (flexible Geltungsbereiche), ILAC P10 (Rückführbarkeit) und ILAC P9 (Ringversuche) sind direkt in R‑17025‑K übernommen. Das erleichtert Kalibrierlaboratorien den Nachweis, dass ihre Pipettenprüfungen sowohl fachlich korrekt als auch formal regelkonform sind.
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Flexibler Geltungsbereich: Die DAkkS kategorisiert Akkreditierungsscope künftig hierarchisch in A, B, C, ersetzt damit die bisherigen Stufen I bis III und schafft eine einheitliche Darstellung aller Akkreditierungsaktivitäten.
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Praxisorientierung: R‑17025‑K hilft Kalibrierlaboratorien, ihre internen Dokumente, Verfahrensanweisungen (z. B. Pipetten‑Kalibrierhandbuch) und Auditunterlagen so zu strukturieren, dass bei jeder Rezertifizierung oder Überwachungsaudit klar ersichtlich ist, wie Pipetten nach ISO 17025‑Anforderungen kalibriert werden.
Für Pipettenkalibrierlaboratorien bedeutet R‑17025‑K: mehr Klarheit im Akkreditierungsprozess, weniger Auslegungsspielraum und eine strukturierte Roadmap, wie die komplexen Normanforderungen konkret im Laboralltag umzusetzen sind.